Von Dr. Katrin Roppel
Globale Beschäftigung und virtuelle Zusammenarbeit sind Trends, die die Arbeitsplätze der Zukunft verändern werden. Firmen beschäftigen zunehmend externe Arbeitskräfte, Mitarbeiter sind mobil, arbeiten Teilzeit, beim Kunden vor Ort oder vom Home Office. Neue Technologien machen Arbeit an beinahe jedem Ort der Welt möglich. In vielen Unternehmen gibt es deshalb kaum mehr feste Arbeitsplätze, Einzelbüros werden zunehmend in alternative Bürolösungen umgewandelt.

Von 12 bis 15 Millionen Büroarbeitsplätzen in Deutschland sind nur noch weniger als die Hälfte Einzelbüros. Manche Unternehmen glauben an produktivere und kreativere Arbeitsprozesse durch mehr Interaktion mit Kollegen in offenen Office-Landschaften statt abgetrennten Einzelbüros, andere wiederum wollen Platz und Kosten sparen und Büroflächen effizienter nutzen. Aber wie wirken sich alternative Büroformen tatsächlich auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter aus? Und welche Rückschlüsse auf die bestehende Unternehmenskultur erlaubt die neue Gestaltung der Büroräume? Oder vielmehr: Wie müssen Arbeitsplätze zukünftig gestaltet werden, um zur jeweiligen Unternehmenskultur und der Belegschaft zu passen?
„Intelligente“ Großraumbüros und ihre Auswirkungen auf die Mitarbeiter
Open Space Büros bzw. Open Space Offices, das sind durchgehende Büroflächen ohne feste Zwischenwände. Sie werden auch als intelligente Großraumbüros bezeichnet und sind voll im Trend. Als Ziel solcher neuer Bürolösungen wird meistens angegeben, die Kommunikation zu verbessern und Mitarbeiter zum Teilen ihrer Ideen und Erfahrungen anzuregen. Neben Rückzugsräumen gibt es Platz für Besprechungen und Konferenzen.
Die Konzepte sind unterschiedlich: Bei den einen Unternehmen werden private Dinge vom Arbeitsplatz verbannt. Jeder Mitarbeiter räumt am Abend seinen Schreibtisch leer, es gibt keine festen Arbeitsplätze, jeder sucht sich am nächsten Tag einen freien Platz, an dem er seinen Laptop anschließt. „Clean Desk Policy“ nennt sich das. Wiederum andere Konzepte setzen auf Individualität. Die Mitarbeiter haben ihren festen Platz und dürfen diesen gestalten, wie sie möchten. Je persönlicher, desto besser. Alles eine Glaubenssache.

Dienstleister für moderne Büroraumgestaltung wie beispielsweise die Firma Steelcase Werndl AG in Kolbermoor haben den Trend erkannt und entwerfen hierfür ergonomische Büromöbel, innovative Beleuchtungssysteme und aus lärmschluckenden Materialien offene Einrichtungskonzepte mit speziellen Bereichen zum Telefonieren, für Meetings und zum Ausruhen und Nachdenken.
Vor einiger Zeit nahm ich an einer „WorkLab Tour“ bei Steelcase Werndl teil. Einige der Mitarbeiter des Bürodienstleisters arbeiten selbst in einer innovativen Bürolandschaft, welche zugleich als Ausstellungsfläche der neuen Konzepte und Büromöbel für Kunden dient. Man staunt über die kreative Nutzung von Flächen und interessanten Details. So wurden beispielsweise geräuschschluckende Materialien für die Wände in „Gesprächsecken“ verwendet und ein großer Konferenztisch mit Bildschirm und Anschlüssen für Laptops inmitten des Raumes diente zugleich für Meetings und das gemeinsame Mittagessen im Team. Skurril an der Situation erschien nur, dass die eigenen Mitarbeiter dort Teil des Ausstellungsszenarios waren und von Besuchern bei ihrer Arbeit begutachtet werden konnten. Die einen diskutierten in Besprechungsräumen, die anderen aßen gemeinsam am Konferenztisch zu Mittag, während Besuchergruppen durch das große Büro schlenderten und Sitze, Stühle oder Tische ausprobierten. Ob die Mitarbeiter Ihren Arbeitsplatz wohl als angenehm empfinden?
Wie sich moderne Großbürokonzepte konkret auf die Leistungen der Mitarbeiter auswirken, ist inzwischen durch zahlreiche Studien belegt. Dennoch halten viele Unternehmen an Großraumlösungen für ihre Mitarbeiter fest. Eine schwedische Studie der Universität Stockholm unter rund 2.000 Arbeitnehmern kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass in Großraumbüros die Fehlzeiten fast doppelt so hoch sind wie in kleineren Büros. Ein Mediziner der Universität Oldenbourg fand heraus: Die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern kann durch Büro-Lärm um fünf bis zehn Prozent sinken. Dafür sei vor allem die Geräuschkulisse durch Gespräche von Kollegen verantwortlich.
Eine australische Studie ergab, dass 90 Prozent der Befragten das Großraumbüro als negativ für Psyche und Gesundheit bewerten. Mitarbeiter in Großraumbüros fühlen sich schneller gestresst, sind häufiger erkältet und insgesamt weniger produktiv als in kleineren Arbeitseinheiten. Studienergebnis war außerdem, dass sich die um 20 Prozent geringeren Bürokosten durch große Flächen nicht rechnen, da Reizüberflutung, Verlust von Privatsphäre und das Gefühl der Überwachung zu geringeren Leistungen der Mitarbeiter führt. Auch die angeblich verbesserte Kommunikation, die spontane Einbindung von Kollegen und der ständige Ideen- und Erfahrungsaustausch finden angeblich im Alltag gar nicht statt.
Ähnliche Ergebnisse liefert eine Schweizer Studie. Vor allem Lärmpegel, trockene, schlechte Luft und unangenehme Lichtverhältnisse und Raumtemperaturen in großen Büros führten zu allgemeinem Unwohlsein am Arbeitsplatz, was sich negativ auf die Leistung der Mitarbeiter auswirkt. Zudem muss die Bürogröße zu der Art der Arbeit passen, denn Arbeitspsychologen haben herausgefunden, dass die Produktivität bei Routinetätigkeiten in Großraumbüros steigt, bei kreativen Tätigkeiten und Entscheidungen eine lebhafte Umgebung jedoch eher Stress für das Gehirn bedeutet.
Wer selbst schon in großen Office Landschaften gearbeitet hat, kennt die täglichen Herausforderungen auch ohne wissenschaftliche Studien. Die Produktivität leidet, wenn die Kollegen laute Privatgespräche führen, während man selbst unter Zeitdruck an einer wichtigen Präsentation arbeitet oder einen Artikel schreiben soll. Wenn man mit dem Laptop unterm Arm einen freien Konferenzraum sucht, in dem man für eine Stunde ungestört arbeiten kann, aber keinen findet, weil alle Räume durch Meetings besetzt sind. Wenn man ständig durch verschiedenste Klingeltöne von Mobiltelefonen oder durch laut telefonierende und dabei auf und ab laufende Kollegen vom Arbeiten abgehalten wird. Wenn es im Sommer heißt und stickig ist, weil kein Fenster zu öffnen ist, sondern die Raumtemperatur zentral geregelt wird und im Winter wiederum kein Heizkörper individuell aufgedreht werden kann und man trotz dickem Rollkragenpullover an seinem Schreibtisch friert. Wenn man jede Erkältung im Büro mit großer Wahrscheinlichkeit einfängt, weil die Bazillen vom kranken Kollegen rechts hinten eingesaugt und direkt über dem eigenen Kopf über die Belüftungsanlage wieder herausgeblasen werden. Wenn ständig plötzlich jemand am Schreibtisch auftaucht und ohne Vorwarnung ein Gespräch beginnt und man immer wieder neu mit seiner Aufgabe beginnen muss.
Sicherlich ist das ein Worst-Case-Szenario und trifft nicht auf alle Großraumbüros zu. Nur ehrlich gesagt: Alles schon erlebt.
Arbeitsplatzgestaltung ist eine Frage der Kultur im Unternehmen

Wie die Arbeitsumgebung gestaltet ist, ist eine Frage der Kultur im Unternehmen, denn letztlich spiegelt sich darin auch die Einstellung und Wertschätzung des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern. Nicht selten sind selbst in Unternehmen mit Großraumkonzepten für die Belegschaft, schicke Einzelbüros mit Aussicht häufig Privilegien der oberen Führungskräfte. Was sagt uns das über das Unternehmen und die Haltung zu seinem Personal?
Die Frage ist außerdem, welches Ziel wird mit einem Großraumkonzept verfolgt. Geht es um bessere Kontrolle und Überwachung der Mitarbeiter? Ist Vertrauen gegenüber der Belegschaft hier ein Thema? Will man Platz und Kosten sparen? Spart man eventuell an der falschen Stelle? Welche Mitarbeiter will man in seinem Unternehmen und ist man durch das bestehende Büroraumkonzept für diese Zielgruppe attraktiver Arbeitgeber? Wie wirkt sich eine Veränderung der Büros auf die bestehende Belegschaft und deren Arbeitsleistung aus? Welche Büroform passt zum Arbeitsstil im Unternehmen?
StepStone führte 2011 in seinem Employer Branding Report aus, was für Bewerber bei der Wahl eines zukünftigen Arbeitgebers wirklich wichtig ist. Für 83 Prozent der Bewerber zählt eine gute Arbeitsumgebung und -ausstattung. Interessant wäre aber nun zu erfahren, was von Bewerbern unter einer „guten“ Arbeitsumgebung konkret verstanden wird.

Grundsätzlich sollte die Arbeitsumgebung unbedingt zu den Anforderungen an die Tätigkeit und zu der Belegschaft passen. Sie sollte die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter unterstützen und nicht das Gegenteil auslösen.
Was häufig völlig außer Acht gelassen wird, sind die Bedürfnisse älterer Mitarbeiter. Der demografische Wandel und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt erlauben keinen einseitigen Fokus auf junge Arbeitskräfte. Es wird zunehmend auch darum gehen, ältere Mitarbeiter länger arbeitsfähig zu halten und ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg zu ermöglichen. In welcher Arbeitsumgebung kann diese wichtige Zielgruppe weiterhin gute Leistung erbringen?
Und letztlich unterliegt es auch der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für das Wohlergehen der Mitarbeiter Sorge zu tragen und Arbeitsbedingungen zu schaffen, die jeden Beschäftigten vor „Gefahren für sein Leben und seine Gesundheit“ schützen. Dazu gehört auch die Vermeidung von körperlichen und psychischen Belastungen durch Stress und Lärm am Arbeitsplatz.
Neue Arbeitsplatzkonzepte erfordern neue Regeln der Zusammenarbeit
Die Bedürfnisse der Belegschaft sind nie homogen: Die einen Mitarbeiter fühlen sich in lebendigen, offenen Büros mit vielen Kollegen im Google-Stil wohl, die anderen Mitarbeiter benötigen eher ein ruhiges und konzentriertes Umfeld, um ihre Arbeit gut erledigen zu können. Sollten Unternehmen einen Umbau ihrer Büros planen, tun sie gut daran, auch ihre Mitarbeiter einzubeziehen und nicht unreflektiert einem Trend hinterherzulaufen. Es gilt zu erfragen, was Mitarbeiter und auch Führungskräfte für die eigene Leistung und Produktivität als förderlich ansehen. Doch gerade hier besteht laut einer Studie in Deutschland Nachholbedarf: Mehr als 90 Prozent der Mitarbeiter wurden nicht bei der Entscheidung zur Büroform einbezogen. Die Rechnung wird also ohne den Wirt gemacht.
Zu einer eventuellen Veränderung der Arbeitsumgebung in ein „intelligentes Großraumbüro“ gehört dann zumindest, sich auf neue Regeln der Zusammenarbeit zu verständigen, beispielsweise Mobiltelefone auf Vibration zu stellen, um Rücksicht auf Kollegen zu nehmen, laute Gespräche unter Mitarbeitern in Meetingräume zu verlegen usw. Denn oft sind es die vermeintlich kleinen Veränderungen, die aber große Auswirkungen auf Betriebsklima und Motivation der Mitarbeiter haben.
Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag, Frau Dr. Roppel. Sie beziehen sich darin unter anderem auf das WorkLab der Steelcase Werndl AG in Rosenheim und fragen, ob die Mitarbeiter das Arbeiten dort als angenehm empfinden – obwohl Gäste und Kunden ähnlich wie in einem Showroom die Umgebung besichtigen können. Als Mitarbeiterin bei Steelcase, die auf dieser Fläche arbeitet, möchte ich Ihnen gerne dazu Rückmeldung geben:
Die auffälligste Veränderung unseres Arbeitsplatzkonzepts ist sicherlich, dass wir nicht mehr nach Teams aufgeteilt sind, sondern nach Zonen. In der „lauten Zone“ arbeiten wir daher eher im Team in der Nähe der Küche zusammen, während wir in der „stillen Zone“ konzentriert und verstärkt in Einzelarbeit unsere Aufgaben erledigen. Das heißt, wir haben nicht mehr einen Arbeitsplatz, sondern viele Arbeitsmöglichkeiten und suchen uns ja nach geplanter Tätigkeit die richtige Zone aus.
Das funktioniert sehr gut. Da es vielfältige Möglichkeiten gibt, zusammenzuarbeiten, sich aber auch zurückzuziehen, können wir wirklich immer so arbeiten, wie wir gerade möchten. Dazu kommt, dass uns die Umgebung nicht nur von ihrer Funktionalität anspricht, sondern auch optisch/ästhetisch – es macht einfach Spaß, ins Büro zu kommen und in einer schönen Atmosphäre zu arbeiten. Gleichzeitig testen wir verschiedene Arbeitsweisen für unsere Kunden, damit diese anschließend von unseren Erfahrungen profitieren können. Dass wir dann hin und wieder Besucher haben, ist eher anspornend und macht einen sogar etwas stolz auf sein innovatives Arbeitsplatzkonzept. Ich persönlich empfinde es in der Regel nicht als störend und ich denke, da spreche ich auch für meine Kollegen. Für vertrauliche Gespräch und Diskussionen oder sehr konzentriertes Arbeiten ziehen wir uns aber natürlich lieber in einen Ruhe- oder Besprechungsraum zurück und entgehen so dem Trubel. Diese Möglichkeit haben wir ja auch!
Schöne Grüße,
Britta Gneiting
Liebe Frau Gneiting, danke für Ihre Rückmeldung und den interessanten Einblick in Ihren Arbeitsalltag. Viele Grüße, Katrin Roppel
Sehr interessanter Artikel! Grundsätzlich würde ich dem Ganzen zustimmen, allerdings haben wir in Berlin oft den Fall, dass „coole“ Büroräume meist von Startups zur Verfügung gestellt werden und die Bezahlung entsprechend gering ist. Viele Konzerne hingegeben haben weniger hippe Räumlichkeiten, doch bieten wesentlich attraktivere Gehälter.
Vielen Dank, Jonathan, für den Hinweis! Ja, das Thema Gehalt ist natürlich ein nicht zu vernachlässigender Aspekt bei der Wahl des Arbeitgebers. Wie wichtig Arbeitsumgebung, Räumlichkeiten, Ausstattung und finanzielle Anreize für einen Kandidaten sind, bleibt immer noch eine individuelle Sache, die jeder für sich persönlich gewichten und bei der Arbeitgeberwahl einfließen lassen sollte. Coole Räumlichkeiten können bei manchen Bewerbern durchaus Eindruck hinterlassen und über so manch andere Schwäche im Unternehmen hinwegtäuschen …